Keine Zeit für Doomscrolling 🧐 ? – lade unseren Beitrag zum Lärmaktionsplan als kurzes PDF herunter!

Es handelt sich um unsere Stellungnahme zum Lärmaktionsplan, die wir am 17.September 2025 dem zuständigen Bauverwaltungsamt in Waldshut-Tiengen zugeschickt haben. Wir freuen uns darauf, dass unsere Feststellungen und Korrekturen bei einer Überarbeitung des aktuellen Entwurfs berücksichtig werden und der Lärmaktionsplan letztlich mit sinnvollen und wirksamen Maßnahmen beschlossen werden kann.

Lärmaktionsplan – Worum geht es überhaupt?

Die Stadt Waldshut-Tiengen erstellt aktuell einen sogenannten Lärmaktionsplan. Dieser ist hier aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens in der Stadt gesetzlich vorgeschrieben und soll dazu beitragen, Verkehrslärm zu erfassen und wirksam zu verringern – insbesondere dort, wo Menschen durch dauerhaft zu hohe Lärmbelastung betroffen sind.

Im Rahmen des Planungsprozesses ist eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich vorgesehen. Denn ihre Hinweise und Erfahrungen können helfen, bestehende Probleme besser zu erkennen und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen.

Die Initiative Mobilität hat den vorliegenden Entwurf des Lärmaktionsplans eingehend geprüft – mit Blick auf Inhalte, Wirkung, Umsetzbarkeit und Transparenz. Dabei wurden positive Ansätze, aber auch kritikwürdige Schwächen und Versäumnisse festgestellt.

Auf dieser Webseite erläutern wir, worum es bei der Lärmaktionsplanung genau geht, was bisher geplant ist – und wo aus Sicht der Initiative noch Nachbesserungsbedarf besteht.

Wir betrachten dieses Feedback als Teil der vorgesehenen Bürgerbeteiligung und wünschen uns, dass diese konstruktive Kritik Eingang in den Lärmaktionsplan findet, in Form einer Verbesserung der vorgeschlagenen Maßnahmen und der sonstigen Schwachpunkte im aktuellen Entwurf.

Was bringt der Lärmaktionsplan?

Maßnahmen aus einem Lärmaktionsplan müssen nicht zwingend direkt umgesetzt werden. So kann es vorkommen, dass ein Plan regelmäßig fortgeschrieben wird, ohne dass sich die Lärmsituation tatsächlich verändert. In Waldshut-Tiengen etwa wurden die im Plan von 2016 vorgeschlagenen Maßnahmen nicht umgesetzt – ohne Konsequenzen.

Gleichzeitig bietet der Lärmaktionsplan Kommunen ein wirksames Instrument, um den Lärmschutz aktiv zu verbessern – insbesondere dann, wenn der Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen wird.

Tempobeschränkungen etwa können im Rahmen des Plans vorgeschlagen und schnell umgesetzt werden, ohne dass übergeordnete Behörden – wie das Regierungspräsidium Freiburg – eingreifen können. Ein Rückschritt wie 2016 in Gurtweil – als Tempo 30 auf der Rathausstraße wieder aufgehoben wurde – wäre so nicht mehr möglich.

📝 Analyse des Lärmaktionsplans

Die Analyse auf dieser Website bezieht sich auf den Entwurf, den die Stadt der Öffentlichkeit per Download zur Verfügung gestellt hat. Stand: Juli 2025, digital freigegeben und signiert am 04.07.2025 von Herrn Colloseus, Firma „Fichtner – Water & Transportation“.

Wichtige Korrekturen und Anpassungen haben wir der Firma Fichtner bereits am 13. Mai 2025, dem Tag nach dem Lärmforum, per E-Mail mitgeteilt. Nach sorgfältiger Durchsicht möchten wir eine strukturierte Einschätzung geben: Wo liefert der Entwurf eine solide Grundlage – und wo ist aus unserer Sicht eine Überarbeitung nötig:

📍🔊 Lärmschwerpunkte

Der Entwurf erkennt Lärmschwerpunkte, schlägt aber nur für wenige Abschnitte wirksame Maßnahmen vor – etwa Tempo 30 in der Gurtweiler Straße und der Rathausstraße. Andere Maßnahmen wie der sogenannte „Flüsterasphalt“ bringen laut Plan kaum spürbare Effekte, kosten aber über 100.000  Euro und liegen in der Verantwortung des Straßenbaulastträgers – meist Bund, Land oder Landkreis. Diese Maßnahmen wirken dadurch wenig verbindlich und kaum umsetzbar.

😣🔉Gesundheitsgefährdung

Extreme Lärmbelastungen – etwa entlang der B 34 – bleiben bestehen. Die gesetzlich geforderte Abhilfe bei Gesundheitsgefährdung bleibt aus oder unzureichend.

🏫👶 Sensible Gebiete

Der Umstand, dass sich Lärmschwerpunkte im Umfeld von Krankenhäusern, Schulen oder Altenheimen befinden, für die besonders strenge Lärmgrenzwerte gelten, bleibt unerwähnt.

📊🤨 Abweichende Ergebnisse

Unklar beim aktuellen Lärmaktionsplan bleibt auch, warum – teils erheblich ins Negative abweichende – Ergebnisse der Lärmkartierung der Baden-Württembergischen Landesanstalt für Umwelt (LUBW) nicht berücksichtigt oder kommentiert werden. Die LUBW stellt den Kommunen die Berechnungsgrundlagen und Ergebnisdaten der Lärmkartierung für Analysen im Rahmen der Lärmaktionsplanung kostenfrei zur Verfügung.

🌱🚲➕🚌➕🚶Lärmarme Mobilität

Fördermaßnahmen für lärmarme Mobilität – wie zum Beispiel E-Busse oder Fahrradstraßen – fehlen, obwohl im wichtigen Leitfaden „LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung“ konkrete Beispiele genannt sind. Das ist gerade für Waldshut-Tiengen – einer Stadt mit starkem Nachholbedarf in diesem Bereich – ein großes Versäumnis.

😵‍💫🔠 Unverständlich

Der Plan ist nicht bürgerfreundlich: Fachsprache, Nominalstil und fehlende Begriffserklärungen erschweren Beteiligung. Begriffe wie „Straßenbaulastträger“ oder „Straßenverkehrsbehörde“ bleiben undefiniert, auch einfache Erklärungen – z. B. zu Schall – sind unnötig kompliziert.

😱🚦🚗 Verkehrskollaps?

Maßnahmen wie Tempo 50 / Tempo 30 an stark belasteten Strecken werden teilweise pauschal abgelehnt – mit Verweis auf einen möglichen „Verkehrskollaps“, den die Stadt befürchte. Belege, Daten oder nachvollziehbare Analysen fehlen.

🔍🧩 Interaktive Grafik

In der folgenden interaktiven Grafik zeigen wir die vom Planungsbüro Fichtner ermittelten Lärmschwerpunkte, dazu die vorgeschlagenen Maßnahmen und deren Wirkung – ergänzt um unsere eigenen Vorschläge zum Vergleich.

Unsere Berechnungen basieren auf den höchsten im Lärmaktionsplan ausgewiesenen Beurteilungspegeln (gemäß RLS-19). Die Werte beziehen sich auf gemittelte Pegel an den Fassaden der am stärksten betroffenen Wohngebäude.

Wurde im Entwurf des Planungsbüros Fichtner eine Wirkungsspanne angegeben, haben wir jeweils den günstigeren Wert angenommen – etwa 0,2  dB(A), wenn eine Maßnahme mit einer Wirkung von 0,1 bis 0,2  dB(A) angegeben wurde.

Dass viele Lärmschwerpunkte im Umfeld besonders sensibler Einrichtungen wie Krankenhäusern, Altenheimen und Schulen liegen – und damit eigentlich strengeren Grenzwerten unterliegen müssten – bleibt sowohl in unserer Betrachtung als auch in der Analyse der Firma Fichtner unberücksichtigt. Bereits die teils ausgeprägten Überschreitungen der weniger strengen Grenzwerte zeigen jedoch den dringenden Handlungsbedarf.

Deutlich wird: Selbst bei Umsetzung sinnvoller Maßnahmen bleiben viele Menschen weiterhin gesundheitsschädigendem Lärm ausgesetzt. Umso wichtiger ist es, wirksame Maßnahmen jetzt konsequent umzusetzen – für eine spürbare Entlastung in absehbarer Zeit.

🔊 Lärmschwerpunkte Waldshut-Tiengen

Maßnahmen-Analyse und -Verbesserungen

Ein Klick auf die pulsierenden Lärmschwerpunkte öffnet unsere Analyse zu den vorgeschlagenen Maßnahmen.
Mit dem Schalter „Details“ lassen sich zusätzliche Informationen einblenden. Der Button für „Vollbild“ erleichtert die Bedienung.

Unsere Analyse zeigt, dass in mehreren Punkten Nachbesserungen notwendig sind: Einige Maßnahmen erscheinen ineffektiv, wichtige Lärmschwerpunkte bleiben unzureichend berücksichtigt. Umso mehr freuen wir uns als Initiative Mobilität, dass wir uns im Rahmen der Bürgerbeteiligung einbringen dürfen – für eine Lärmaktionsplanung, die wirksam, nachvollziehbar und im Sinne aller Bürger:innen weiterentwickelt wird.

🧾 Unsere Alternativvorschläge zur Mittelverwendung

Auf Grundlage der im Entwurf enthaltenen Daten und Bewertungen schlagen wir vor, sich die im aktuellen Lärmaktionsplan vorgesehenen Ausgaben von über 100.000  Euro zu sparen, die für Maßnahmen ohne spürbare Wirkung vorgesehen sind, und stattdessen Mittel in wirksame Maßnahmen und weiterführende Schritte zu investieren:

🛣️🔊😣 Flüsterasphalt streichen

  • Die Vorschläge für „lärmmindernde Fahrbahndeckschichten“ sind unwirksam und haben damit keine Berechtigung als „wesentliche Maßnahmen“ im Lärmaktionsplan berücksichtigt zu werden.

🚗 Temporeduktion in stark belasteten Bereichen einführen

  • Dauerhafte Einführung von Tempo 30 auf der B34 (Waldshut), B500 (Waldshut), L159 (Tiengen), K6551 (Tiengen + Gurtweil) an Streckenabschnitten mit festgestellten Lärmschwerpunkten innerorts. Verbindung dieser Teilabschnitte zur Verstetigung des Verkehrsflusses, wo möglich.
  • Tempo 50 auf der K6551 Tiengener Straße in Gurtweil, Höhe Umspannwerk bis „Im Bodenacker“
  • Dauerhafte Einführung von Tempo 50 auf der B34 im Bereich Liedermatte / Unter der Steigtrotte
  • Dauerhafte Einführung von Tempo 30 auf der L157 Schlüchttalstraße
  • Tempo 30 auf der Rathausstraße muss deutlich vor der Ortsbebauung beginnen
  • Tempo 30 auf der Gurtweiler Straße auch tagsüber ist zu begrüßen

📊 Systematische Evaluation und Planung

  • Erhebung belastbarer Daten zu Verkehrsverlagerungen infolge von Temporeduzierungen
  • Berücksichtigung der Ampelanlagen bei der Wirkungseinschätzung
  • Programmierung der Lichtsignalanlagen zur Verstetigung des Verkehrsflusses bei reduzierter Geschwindigkeit
  • Einsatz geeigneter Programme (z. B. Eclipse MOSAIC, SUMO) zur Simulation der Verkehrsströme
  • Analyse zu Fahrtzeitveränderungen, basierend auf Simulationen und empirischen Erhebungen
  • Prüfung der Auswirkungen auf den ÖPNV
  • Prüfung der Auswirkungen auf die Fahrzeiten der Freiwilligen Feuerwehr, insbesondere bei Gebäuden höherer Gefährdungsklassen und in Bezug auf gesetzliche Hilfsfristen

🗂 Hinweise zur Überarbeitung des Plans

  • Maßnahmen mit sehr geringer bis keiner Wirkung kritisch überprüfen und ggf. aus dem Plan entfernen
  • Den Fokus verstärkt auf nachweislich wirksame Maßnahmen legen – auch wenn diese nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen. Den Mangel an wirksamen alternativen Möglichkeiten erörtern
  • Konkrete Vorschläge für Maßnahmen zur Förderung von lärmarmer Mobilität ergänzen
  • Klare und verständliche Sprache anstelle komplexer Nominalkonstruktionen verwenden; Fachbegriffe und Zusammenhänge präzise und nachvollziehbar erläutern.
  • Auf die Erzeugung nicht weiter belegter Sorgen verzichten (z. B. vor einem „Verkehrskollaps“) ohne nachvollziehbare Daten oder Modelle

🔮📅 Wie geht es weiter?

Ein Blick in die Vergangenheit hilft, die Zukunft besser einzuschätzen. Vor neun Jahren wurde der Lärmaktionsplan zuletzt überarbeitet. Damals lehnte nur ein Gemeinderatsmitglied den Plan ab – mit der Begründung, es dürften keine Begehrlichkeiten geweckt werden, die mangels finanzieller Mittel nicht erfüllt werden könnten.

Rückblickend hatte Herr Würtenberger von den Freien Wählern damit nicht ganz unrecht: Keine der damals beschlossenen Maßnahmen wurde umgesetzt. Die empfohlenen Lärmschutzwände etwa wurden vom zuständigen Baulastträger – dem Bund – nie gebaut. Ob die Stadt diesbezüglich den Bund je beauftragt oder unter Druck gesetzt hat, ist für uns nicht ersichtlich.

Auch andere Vorschläge stießen damals auf Ablehnung. So äußerte sich Herr Colloseus zum Einsatz von offenporigem Asphalt in der Ortsdurchfahrt Tiengen mit den Worten: „Offenporiger Asphalt eignet sich nur für Straßen, auf denen konstant eine höhere Geschwindigkeit gefahren wird. Andernfalls wäre der Belag nach wenigen Jahren kaputt.“

Zur vorgeschlagenen Temporeduzierung auf 50 km/h im Bereich der Liedermatte erklärte Herr Gruner damals, dies sei „kaum durchsetzbar, da es sich im Liedermattenabschnitt der B 34 um einen Außerortsbereich handle.“

Bemerkenswert ist: Beide Vorschläge sind heute Bestandteil des aktuellen Entwurfs zur Fortschreibung des Lärmaktionsplans, die Temporeduzierung dabei beschränkt auf die Nacht. Die Positionen in Politik und Fachplanung sind also offenbar nicht in Stein gemeißelt – sie können sich weiterentwickeln.

Das stimmt uns hoffnungsvoll. Wir setzen darauf, dass sich die verantwortlichen Akteure künftig stärker an Fakten orientieren, wirksame Maßnahmen in den Plan aufnehmen – und diese auch zeitnah umsetzen.

Dazu gehört auch – ganz im Sinne der Vermeidung unnötiger Begehrlichkeiten – auf Maßnahmen zu verzichten, die weder wirksam noch realistisch umsetzbar sind und gleichzeitig hohe Kosten verursachen. Stattdessen sollten vorrangig solche Maßnahmen umgesetzt werden, die nachweislich wirksam, vergleichsweise kostengünstig und mit hoher Umsetzungswahrscheinlichkeit verbunden sind – auch wenn dabei andere Interessen zurückgestellt werden müssen.

Tempobeschränkungen erfüllen genau diese Kriterien: Sie sind effektiv, kostengünstig und rechtssicher umsetzbar – und sie können im Lärmaktionsplan verbindlich festgelegt werden, ohne dass andere Behörden ihre Umsetzung blockieren können.

IIm Lärmaktionsplan der Stadt Bad Säckingen wurde 2023 – ebenfalls unter Federführung des Büros Fichtner – eine nächtliche Temporeduzierung auf 30 km/h für die B 34 beschlossen und im September desselben Jahres umgesetzt. In ihrer Stellungnahme äußerte die Freiwillige Feuerwehr Bedenken, sie könne „Gebäude einer höheren Gefährdungsklasse bei einer Geschwindigkeitsreduktion innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfrist nicht mehr erreichen“. Inzwischen gilt die Maßnahme seit bald zwei Jahren – Einschränkungen der Einsatzbereitschaft wurden seither nicht bekannt.

Auch das Straßenbauamt des Landratsamts Waldshut zeigte im Rahmen des Lärmaktionsplans Bad Säckingen wenig Engagement. Die mittlerweile seit 2023 umgesetzte Temporeduzierung wurde mit Verweis auf die „besondere Verkehrsfunktion“ der Straße entschieden abgelehnt. Zudem äußerte das Amt, dass es nicht wisse, ob auf allen Ampeln „ein weiteres Programm installiert werden könnte“ – eine erstaunliche Aussage für eine fachlich zuständige Behörde. Nicht zuletzt wurde auf mögliche künftige Kosten durch nächtlichen Ampelbetrieb verwiesen – für den Fall, dass es irgendwann zu einer Unfallhäufung kommen sollte. Aktuell gäbe es eine solche nicht. Schließlich wurde vor Verkehrsverlagerungen in Wohngebiete gewarnt, da die Bundesstraße bei reduzierter Geschwindigkeit keinen Zeitvorteil mehr böte. In diesem Zusammenhang würden wir vom Straßenbauamt gerne erfahren, ob und in welchem Umfang diese prognostizierten Verkehrsverlagerungen inzwischen erfasst wurden.

Das alles zeigt: Pauschale Einwände gegen Tempolimits, insbesondere unter Berufung auf abstrakte Gefahren, sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Wenn das subjektive Empfinden, geringfügig langsamer unterwegs zu sein, schwerer wiegt als der Schutz der Gesundheit vieler Betroffener, geraten die Prioritäten aus dem Gleichgewicht.

Daher ein klarer Appell an Verwaltung, Kommunalpolitik und Behörden: Treffen Sie mutige, verantwortungsvolle Entscheidungen – im Interesse der Menschen, nicht der maximalen Fahrgeschwindigkeit. Gesundheit und Lebensqualität gehören an erste Stelle.

»Lärm fact«

„Es braucht nicht immer die aufwendige und teure Lösung, um Wirkung zu erzielen – sei es beim Fahrzeug oder beim Lärmschutz. Oft können bereits kleine, kostengünstige Maßnahmen, wie das Aufstellen eines Verkehrsschildes für rund 500 Euro, einen spürbaren Beitrag leisten.“

Initiative Mobilität

🛑 Tempo 30 – kontraproduktiv und übertrieben?

Für viele Menschen ist die Vorstellung, auf großen Straßen plötzlich nur noch mit Tempo 30 unterwegs sein zu dürfen, nicht angenehm.

Das Umweltbundesamt hat eine umfassende Untersuchung zu Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen veröffentlicht. Dabei wurden genau jene Aspekte unter die Lupe genommen, die oft gegen diese Tempo-Einschränkung ins Feld geführt werden:

  • Längere Fahrzeiten: Besonders für Berufspendler, Handwerksbetriebe, Liefer- und Pflegedienste verlängern sich essenzielle tägliche Wege.
    ✔️ Ergebnis: Reisezeitverluste sind gering: durchschnittlich 0–4 Sekunden pro 100 Meter.
  • Mehr Lärm statt weniger: Fahrzeuge müssen bei Tempo 30 hochtourig im zweiten und dritten Gang fahren – das ist lauter als eine gleichmäßige Fahrt bei Tempo 50.
    ✔️ Ergebnis: Lärmentlastungen bei Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 sind mess- und spürbar.
  • Verkehrskollaps: Geringere Kapazität, gestörter Lieferverkehr, mehr Staus – Tempo 30 schadet am Ende der Wirtschaft und damit auch dem Ort Waldshut-Tiengen. Und bei einem Kollaps wird der Lärm noch größer
    ✔️ Ergebnis: Die Leistungsfähigkeit der Straße bleibt in der Regel erhalten – wichtiger als das Tempolimit ist die Qualität der Ampelschaltungen.

Weitere Ergebnisse:

✔️ Die Schadstoffbelastung sinkt leicht (insbesondere bei Wahrung / Verbesserung des Verkehrsflusses).

✔️ Verkehrsverlagerungen auf Nebenstraßen wurden kaum beobachtet.

✔️ Tempo 30 erhöht die Verkehrssicherheit – es gibt weniger Verletzte und Getötete.

Wie ist es bei dir?

  • Wie schnell bist du auf den betroffenen Strecken im Berufs- oder Feierabendverkehr tatsächlich unterwegs – mit den aktuellen Geschwindigkeiten?
  • Wie oft musst du dort ohnehin abbremsen und wieder beschleunigen – wegen Ampeln, Einmündungen oder dichtem Verkehr?
  • Wie hoch ist der „Fahrspaß“ auf diesen Strecken in der Realität – im täglichen Stau und zähfließenden Verkehr?
  • Wie lange fährst du auf den Strecken innerorts gleichmäßig im vierten oder fünften Gang – ohne Stopp, ohne Eingriffe, ohne Abbremsen und Beschleunigen aus dem Stand?

🕵️‍♂️🧪 Tiefere Analyse

Ab hier hast du die Möglichkeit noch tiefer in die Analyse des Entwurfs für den Aktionsplan einzusteigen.

Im Folgenden werfen wir einen genaueren Blick auf die positiven und negativen Seiten des aktuellen Entwurfs und zeigen im Detail, an welchen Stellen der Lärmaktionsplan noch optimiert werden muss. Zunächst die positiven Aspekte:

🔍 Positive Aspekte des Entwurfs

1. Erfassung von Lärmschwerpunkten

Der aktuelle Entwurf identifiziert belastete Gebiete. An vielen Stellen werden dabei Grenzwert-Überschreitungen benannt, die laut Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien als gesundheitlich kritisch bzw. gesundheitsgefährdend anzusehen sind.

2. Deutlicher Hinweis auf Handlungsbedarf

Der Entwurf macht an mehreren Stellen deutlich, dass eine Verpflichtung zum Eingreifen besteht, weil in vielen Bereichen der untersuchten Straßen Lärmschwerpunkte bestehen und die Lärmbelastung systematisch so hoch ist, dass sie sich – selbst nach mittlerweile überholten Standards – im kritischen oder gesundkeitsgefährdenden Bereich befindet.

3. Enthaltene sinnvolle Maßnahmenvorschläge

Einzelne Maßnahmen – wie etwa die permanente Beschränkung auf Tempo 30 in der Rathausstraße in Gurtweil oder die permanente Beschränkung auf Tempo 30 in der Gurtweiler Straße in Waldshut – zeigen, dass gezielte Eingriffe möglich und nötig sind, die sowohl wirksam und verhältnismäßig günstig, als auch ohne negative Folgen für die gesamte Verkehrssituation sind.

4. Transparente Darstellung der begrenzten Wirksamkeit technischer Maßnahmen

Besonders positiv hervorzuheben ist, dass der Entwurf anschaulich darlegt, wie gering die Wirkung lärmmindernder Fahrbahnbeläge – auch bekannt als „Flüsterasphalt“ – bei im Vergleich zu Autobahnen niedrigen Geschwindigkeiten wie z.B. Tempo 50 – tatsächlich ist. Dies unterstützt eine realistische Bewertung solcher Maßnahmen und trägt zur Versachlichung der Diskussion bei. Der von Herrn Colloseus 2016 betonte Punkt, dass lärmmindernde Fahrbahndeckschichten bei niedrigen Geschwindigkeiten schon nach wenigen Jahren kaputt gehen, bleibt leider unerwähnt.

5. Die geringe Fahrtzeitverlängerung durch Tempobeschränkungen ist klar herausgearbeitet

Der Entwurf legt sachlich dar, wie gering die Auswirkungen von Tempo 30 auf die Fahrzeiten tatsächlich sind. Anhand von Studien wird eine angenommene Fahrzeitverlängerung für Kfz von im Schnitt etwa 2 Sekunden pro 100 Meter genannt, was in den meisten Fällen keine spürbare Einschränkung bedeutet. Für Busse liegt der Wert sogar noch darunter.

Auch der Hinweis auf den Kooperationserlass, laut dem Verzögerungen bis 30 Sekunden nicht als ausschlaggebend gelten, ist sinnvoll und versachlicht die Diskussion. So würde sich die Fahrzeit für die Durchquerung von Waldshut bei einer Tempobeschränkung auf 30 km/h um etwa 30 Sekunden verlängern, womit sie eindeutig in den als unerheblich eingestuften Bereich fällt – und das selbst ohne die zusätzlichen Wartezeiten an Ampeln.

Was im Entwurf fehlt, ist ein Hinweis auf die Rolle der Lichtsignalanlagen im Stadtgebiet. Gerade zu Stoßzeiten kann das Warten an Ampeln die Fahrzeit mutmaßlich weit stärker beeinflussen, als die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Die tatsächlichen Auswirkungen von Tempo 30 auf den Verkehrsfluss könnten daher noch geringer ausfallen als angenommen.

Dabei ist gerade im Zusammenspiel mit optimierten Ampelschaltungen (z. B. angepasste Grünphasen bei Tempo 30) durchaus eine Verstetigung des Verkehrsflusses denkbar, die zusätzlich zur Lärmreduktion beitragen kann.

🧭 Punkte mit Verbesserungsbedarf

1. Verzicht auf wirksame Maßnahmen, aus Angst vor „drohendem Verkehrskollaps“

Es fällt auf, dass Temporeduzierungen im Lärmaktionsplan teils pauschal ausgeschlossen werden. Dabei wird die „wichtige Verkehrsfunktion“ von Straßen betont und die Gefahr eines drohenden „Verkehrskollapses“, den die Stadt befürchte.

Diese Befürchtungen werden jedoch nicht mit belastbaren Zahlen, Modellierungen oder empirischen Daten unterfüttert. Beim Lärmschwerpunkt „B34 Liedermatte“ wird irreführenderweise auf das hohe tägliche Fahrzeugaufkommen am anderen Ende der Stadt, beim Grenzübergang Koblenz, verwiesen. Es bleibt völlig unklar und diffus, wie und an welchen Stellen warum genau durch eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit eine Einschränkung der Verkehrsfunktion oder gar ein Kollaps eintreten würde. Die geäußerten Befürchtungen stehen zudem stark in Widerspruch zu den im Lärmaktionsplan genannten, sehr geringen Fahrtzeitverlängerungen durch Temporeduzierungen von 50 km/h auf 30 km/h. Siehe weiter unten.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg betont die Notwendigkeit zu “ Schutzmaßnahmen wie Umplanungen von Straßen oder Betriebsbeschränkungen“, spätestens ab einem Lärmpegel von 70 Dezibel am Tag oder 60 Dezibel in der Nacht. Nach der Lärmkartierung von Fichtner werden diese Werte an vier Lärmschwerpunkten in Waldshut-Tiengen erreicht oder überschritten. Dort müssen Maßnahmen wie zum Beispiel Tempolimits, Sperrungen oder Fahrverbote geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden. Dem wird teilweise gar nicht nachgekommen (B34 Eisenbahnstraße), oder nur unzureichend (z.B: Maßnahme B34 Liedermatte oder Schlüchttalstraße Gurtweil oder Ortsdurchfahrt Tiengen, Maßnahmen nur in der Nacht, obwohl Beurteilungspegel am Tag >= 70 db(A)).

2. Abwägungen werden angekündigt, sind aber nicht zu finden

Dazu einleitend ein Zitat aus dem Entwurf zum Lärmaktionsplan:

„Grundlage für die Prüfung bzw. den Vorschlag von Einzelmaßnahmen stellen Überschreitungen der
Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV dar. Aus der Lärmkartierung (vgl. hierzu Anlage 7 und Anlage 8)
kann abgelesen werden, entlang welcher Abschnitte von hohen Lärmbelastungen auszugehen ist. Liegen
Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte vor, erfolgt in Bezug auf die Leitlinie 5 eine Abwägung einer
geschwindigkeitsbeschränkenden Maßnahme.
 “

Entwurf Lärmaktionsplan Waldshut-Tiengen, FEB 2025
5.4 Kriterien für die Maßnahmenauswahl

Was bedeutet diese Aussage?

Ob einzelne Maßnahmen vorgeschlagen oder geprüft werden, hängt davon ab, ob die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden. In den Lärmkarten ist erkennbar, welche Streckenabschnitten hohe Lärmbelastungen haben. Wenn dort Grenzwertüberschreitungen vorliegen, wird im Rahmen der Leitlinie 5 geprüft, ob eine Tempobeschränkung in Frage kommt.

Das wirkt widersprüchlich: Obwohl auf nahezu allen untersuchten Streckenabschnitten Überschreitungen der im Zitat erwähnten Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV festgestellt wurden, schlägt der Lärmaktionsplan lediglich für fünf Abschnitte geschwindigkeitsbeschränkende Maßnahmen vor. Für die übrigen Abschnitte ist nicht ersichtlich, ob überhaupt eine Abwägung gemäß Leitlinie 5 erfolgte. Sollte eine solche Prüfung stattgefunden haben, wäre es erforderlich gewesen, im Plan transparent darzulegen, warum sie nicht zur Empfehlung einer Geschwindigkeitsbegrenzung geführt hat.

3. Begrenzung von Maßnahmen auf Nachtzeiten

Obwohl Grenzwerte teilweise auch tagsüber massiv überschritten werden und extreme Lärmimmissionen festgestellt werden, beschränken sich viele Vorschläge auf die Nachtzeit. Damit wird ein großer Teil der potenziellen Wirkung zur Lärmreduktion ungenutzt gelassen und der Gesundheitsgefährdung wird nur partiell begegnet. Der im Lärmaktionsplan mehrfach erwähnten „Pflicht zum Eingreifen“ wird nicht nachgekommen.

4. „Flüsterasphalt“-Vorschläge mit fraglicher Wirkung

Mehrere Maßnahmenvorschläge betreffen Orte mit erheblicher Lärmbelastung, an denen jedoch praktisch wirkungslose Maßnahmen in Fom von lärmmindernden Fahrbahnbelägen vorgesehen sind. In den meisten Fällen liegt der prognostizierte Effekt von lärmminderden Fahrbahndeckschichten unterhalb der Wahrnehmungsschwelle.

Beispiel:

Maßnahme: Lärmmindernde Fahrbahndeckschicht
B 34 – Eisenbahnstraße
Pegelminderung0.1 – 0.2 db(A)
Weniger Betroffene / Tag2
Weniger Betroffene / Nacht0
Kostenca. 14.000 Euro

5. Hinweise auf geringe Wirksamkeit im Plan selbst – ein eklatanter Widerspruch

Im Entwurf wird mehrfach eingeräumt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nur einen minimalen Effekt haben oder „gerade wahrnehmbar“ sind. Das wird durch das folgende Zitat anschaulich illustriert, das vier mal im Entwurf zu finden ist: „Aufgrund der sehr geringen Wirkung wird keine Differenzlärmkarte dargestellt.“ Trotzdem werden diese Maßnahmen zur Umsetzung empfohlen.

Textstellen, die die Wirkung von Flüsterasphalt bei geringen Geschwindigkeit als gering ausweisen:

  • „Rechnerisch ergeben sich bei Tempo 50 praktisch keine Änderungen.“
  • „In Abschnitten mit Tempo 50 oder weniger hat ein lärmmindernder Asphalt nur geringere Wirkungen.“
  • „Aufgrund der sehr geringen Wirkung wird keine Differenzlärmkarte dargestellt.“
  • „Die Emissionspegel der Straße reduzieren sich dadurch um etwa 1,2 – 1,3 dB(A) im Bereich mit Tempo 70. Dies stellt eine gerade wahrnehmbare Minderung dar. In den Abschnitten mit Tempo 50 ist mit Reduktionen von 0,1 – 0,2 dB(A) keine spürbare Minderung erkennbar.“

6. Begründung mit parallelen Bauarbeiten und geringen Kosten

Die Begründung für die Umsetzung dieser faktisch wirkungsfreien Maßnahmen ist oft, dass sie im Rahmen ohnehin geplanter Sanierungen durchgeführt werden könnten – und auch durch diesen Umstand „geringe finanzielle Aufwendungen“ erfordern würden.

7. Verzögerung um mehrere Jahre

Dabei ist zu beachten: Für alle Vorschläge, die auf den Einsatz lärmmindernder Fahrbahnbeläge abzielen, wird ein mehrjähriger Zeithorizont genannt – teils über fünf Jahre hinaus, teils darunter. Die Umsetzung ist an die jeweiligen Sanierungszyklen gebunden. Selbst wenn diese Maßnahmen einen Effekt hätten – was laut Entwurf kaum der Fall ist – wäre eine zeitnahe Entlastung der betroffenen Anwohner:innen nicht zu erwarten.

8. Hohe Kosten trotz geringer Wirkung

Trotz der begrenzten Wirksamkeit belaufen sich die geschätzten Kosten für diese Maßnahmen laut Entwurf insgesamt auf über 100.000 Euro.

9. Effektivere Maßnahmen mit deutlich geringeren Kosten

Dem gegenüber stehen effektivere Maßnahmen – insbesondere Temporeduzierungen – die laut Plan lediglich mit etwa insgesamt 10.000 Euro beziffert werden, aber trotz Kosten- und Wirkungsvorteils nicht vermehrt an anderen Stellen vorgesehen sind.

10. Übertragung der Verantwortung auf den Straßenbaulastträger

Viele Lärmschwerpunkte liegen an Bundesfernstraßen, Landstraßen und Kreisstraßen. Genau an diesen Straßen werden von Fichtner die lärmmindernden Fahrbahnbeläge mit geringer Wirksamkeit vorgeschlagen.

Was oder wer ein Straßenbaulastträger ist, wird im Dokument nicht erklärt. Für Waldshut-Tiengen (~ 25.000 Einwohner) gilt:

  • Bundesfernstraßen (zum Beispiel B 34, B 500): Straßenbaulastträger ist der Bund
  • Landestraßen (zum Beispiel Ortsdurchfahrt Tiengen L 159, L 157 Schlüchttalstraße): Straßenbaulastträger ist das Land.
  • Kreisstraße (=K 6551, Feldbergstraße, Tiengener Straße): Straßenbaulastträger ist der Landkreis

Sieht ein Lärmaktionsplan eine bauliche Maßnahme an Straßen vor (Neubau, Umbau, Rückbau), so ist der zuständige Straßenbaulastträger für die Durchführung der Maßnahme verantwortlich.

Bei Straßen in fremder Baulast (Bund, Land, Kreis) beantragt die Gemeinde die Durchführung baulicher Maßnahmen beim jeweiligen Straßenbaulastträger. Dieser sollte durch die Beteiligung an der Aufstellung des Lärmaktionsplans bereits grundsätzlich Kenntnis von der Maßnahme erhalten haben und hat ggf. bereits seine Zustimmung erteilt. Der zuständige Straßenbaulastträger entscheidet dann – unter Berücksichtigung verkehrlicher Belange, der Verkehrssicherheit und der Verfügbarkeit finanzieller Mittel – wann er die Maßnahmen durchführt.

Dieses Verfahren ist in fast allen Bundesländern problematisch, da der Straßenbaulastträger Land sich bisher in vielen Fällen in Bezug auf eine aktive Mitwirkung an der Lärmminderungsplanung auf das unvermeidbare Minimum beschränkt. Hier hilft i.d.R. nur, fachlich wie politisch Handlungsdruck aufzubauen. Besonderer Handlungsdruck ist vor allem dann gegeben, wenn die Lärmbelastung über den Lärmsanierungswerten liegt (ggf. in Kombination mit einer hohen Luftbelastung oder hohen Unfallzahlen).

Umweltbundesamt, Handbuch Lärmaktionsplaene

Es ist offensichtlich, dass der vorgeschlagene Flüsterasphalt an den genannten Stellen kaum Wirkung entfaltet. Dieser Vorschlag verliert dadurch an Substanz und wirkt eher symbolisch – als „Feigenblatt“, das über das Fehlen wirklich wirksamer Vorschläge hinwegtäuscht. Kein Straßenbaulastträger wird den Mitteleinsatz von insgesamt über 100.000 Euro gerechtfertigt sehen, wenn gleichzeitig die Lärmreduzierungen auf Werte zwischen 0.1 – 0.3 db(A) beziffert werden.

Demgegenüber verweist ein weiteres Zitat aus dem vom Planungsbüro Fichtner selbst herangezogenen UBA-Dokument auf die rechtliche Klarheit verkehrsrechtlicher Maßnahmen wie Tempolimits. Gerade diese Klarheit macht Tempobeschränkungen zu einem zentralen Instrument jeder ernst gemeinten Lärmaktionsplanung.

„Nach geltendem Recht steht den Straßenverkehrsbehörden bei der Umsetzung hinreichend bestimmter Maßnahmen eines Luftreinhalte- oder Lärmminderungsplans kein Ermessen zu.“

11. Fluglärm und Eisenbahn werden nicht erwähnt

Die Frage, ob die Lärmdaten des Eisenbahnbundesamts (EBA) in die Berechnung der Gesamtbelastung eingeflossen sind und ob eine kombinierte Belastung durch Straße und Schiene berücksichtigt wurde, bleibt unbeantwortet. Für Waldshut-Tiengen liegen beim EBA Daten vor, obwohl die Bahnstrecke nicht kartierungspflichtig ist (https://geoportal.eisenbahn-bundesamt.de) – wurden diese einbezogen?

Beim Fluglärm besteht nur begrenzter Handlungsspielraum. Dennoch sollte die allgegenwärtige Belastung durch Flugverkehr in Waldshut-Tiengen durch den Flughafen Zürich in einem Lärmaktionsplan zumindest benannt werden.

12. Unkonkrete Ausführung zu Leitlinie 3 – Förderung lärmarmer Verkehrsmittel

Im aktuellen Lärmaktionsplan der Stadt Waldshut-Tiengen wird die Bedeutung lärmarmer Verkehrsmittel wie des Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehrs zwar betont, jedoch bleibt die Umsetzungsebene vage: Konkrete Maßnahmen zur Förderung dieser Mobilitätsformen werden nicht genannt. Im abschließenden Kapitel „7 Zusammenfassung und Empfehlungen“ heißt es:

Lokal spürbare Verbesserungen der Lärmsituation werden dabei über die Einzelmaßnahmen baulicher und verkehrsrechtlicher Art angestrebt und näher untersucht.

Aus diesem Satz lässt sich ableiten, dass im Lärmaktionsplan, den die Firma Fichtner mit der Stadtverwaltung erarbeitet hat, eine Verringerung des Lärms lediglich über bauliche Maßnahmen („Flüsterasphalt“), oder verkehrsrechtliche Maßnahmen („Temporeduzierungen“) angestrebt wird. Nicht aber über die Förderung lärmmindernder Verkehrsmittel.

Das finden wir schade. Gerade auf kommunaler Ebene bestehen in dem Bereich vielfältige Handlungsmöglichkeiten zur aktiven Lärmminderung. Dazu zählen etwa die Elektrifizierung der Busflotte, der Ausbau sicherer und durchgängiger Radverkehrsinfrastruktur, überdachte Fahrradabstellanlagen, sichere Schulradwege oder Piktogrammketten zur Sichtbarmachung des Mischverkehrs. Auch Maßnahmen wie die Erweiterung des Car-Sharing-Angebotes, die Einführung eines On-Demand- und Ridepooling-Dienstes oder Förderprogramme für Lastenräder können dazu beitragen, die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs in Waldshut-Tiengen zu reduzieren, die Straßen zu entlasten – und damit den Verkehrslärm wirksam zu senken.

Der aktuelle Lärmaktionsplan für Waldshut-Tiengen legt nahe, dass der Übergang zu lärmärmeren Verkehrsträgern von so vielfältigen Einflüssen abhängt – etwa technologischen Entwicklungen wie neuen Antriebsarten im ÖPNV – dass diesbezügliche Maßnahmen nicht in ein konzeptionelles Werk wie den Lärmaktionsplan aufgenommen werden können.

Dies steht im Widerspruch zur Realität. Beispiel: Es existieren bereits lärmärmere Optionen für Antriebsarten im ÖPNV („Elektrisch“). Diese werden sich darüberhinaus in absehbarer Zeit nicht eklatant ändern. Und dies steht auch im Widerspruch zum LAI-Leitfaden zur Lärmaktionsplanung, der explizit Maßnahmen wie den Einsatz geräuscharmer Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr, sichere Querungsmöglichkeiten für Zufußgehende oder auch die Einrichtung von Fahrradstraßen als geeignete Maßnahmen auflistet.

Insgesamt bleibt der Lärmaktionsplan auch in diesem Bereich weit hinter seinen Möglichkeiten zurück – zumal letztlich keinerlei konkrete Maßnahmen zur „Förderung lärmarmer Verkehrsmittel“ vorgeschlagen werden.

13. Die Ergebnisse der Lärmkartierungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg für Waldshut-Tiengen werden erwähnt, aber nicht nicht berücksichtigt

Dabei sollen eben diese Lärmkartierungen die Grundlage für Lärmaktionspläne bilden.

In Abschnitt 1 „Allgemeines“ steht:

Aufgrund dessen wurde durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) eine Lärmkartierung vorgenommen.

In Abschnitt 4.2 „Ergebnisse“ steht:

Die Gesamtbetroffenenzahlen liegen insgesamt über den in der aktuellen landesweiten Lärmkartierung der LUBW ermittelten Werten. Dies ist vor allem durch die ergänzte Analyse um die B 500 (St.-Blasier-Straße) und die Gurtweiler Straße in Waldshut, die K 6551 (Feldberger Straße) in Tiengen sowie die L 161 (Schlüchttalstraße), die K 6551 (Tiengener Straße) und Rathausstraße in Gurtweil zu erklären.

Warum die LUBW-Kartierung nicht weiter berücksichtigt wird, bleibt unklar. Die zusätzliche Kartierung von Fichtner für weniger befahrene Straßen ist sinnvoll, der fehlende Bezug bei den Straßen > 8200 Kfz / Tag zu den Daten der LUBW aber unverständlich.

Trotz der größeren Zahl untersuchter Straßen weist Fichtner bei hohen Lärmpegeln teils weitaus geringere Betroffenenzahlen aus als die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg . Diese Unterschiede sind erklärungsbedürftig – nicht nur wegen der gleichen Berechnungsmethoden (BUB und BEB), sondern auch weil durch die zusätzliche Straßenerfassung eigentlich mehr Belastung zu erwarten wäre, wegen der größeren untersuchten Bereiche und z.B. auch aufgrund von Lärmsummenbildung an Verkehrsknotenpunkten.

Wie positioniert sich Fichtner zur Lärmkartierung der LUBW? Wie kommt es zu den teils gravierenden Unterschieden?, z.B.

  • 89 Lärmbelästigte Bewohner bei Nacht >= 65 – 69 db(A) gegenüber 0 lärmbelästigten Bewohnern bei Fichtner?
  • 143 Personen mit starker Schlafstörung bei der LUBW gegenüber 100 Personen mit starker Schlafstörung bei Fichtner?

Was ist der Grund, dass auf diese Unterschiede im Dokument nicht hingewiesen wird?

Lärmbelastete Bewohner LDEN Zahlen der LUBW (download hier)Zahlen v. Fichtner
≥ 70 – 74 db(A)340200
≥ 75 db(A)760
Lärmbelastete Bewohner LNIGHT Zahlen der LUBW (download hier)Zahlen v. Fichtner
≥ 60 – 64 db(A)441200
≥ 65 – 69 db(A)890
Gesundheitsschädliche AuswirkungenZahlen der LUBW (download hier)Zahlen v. Fichtner
Personen mit
starker Belästigung
658700 (obwohl sehr viel mehr Straßenabschnitte untersucht)
Personen mit
starker Schlafstörung
143100

🧠💥📄🤯❓ Der aktuelle Entwurf – schwer verständlich für Laien

Der Entwurf des Lärmaktionsplans steht auf der Webseite der Stadt zum Download bereit. Er umfasst 142 Seiten, davon viele mit Tabellen, Berechnungen und technischen Diagrammen.

Für Bürger:innen ohne Fachwissen ist das Dokument leider kaum nachvollziehbar – voll mit Verweisen auf Gesetze, technische Begriffe und Abkürzungen. Erläuterungen für Begriffe fehlen oft. Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten bleiben unklar. Die Formulierungen sind kompliziert und im Nominalstil gehalten. Das erschwert die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung erheblich.

Hier einige Sätze aus dem aktuellen Entwurf:

„Mit den Zuschlägen der jeweiligen Berechnungsrichtlinien z. B. für Ruhezeiten oder bestimmte Lärmarten werden aus den Immissionen die Beurteilungspegel gebildet.“

Entwurf Lärmaktionsplan Waldshut-Tiengen, FEB 2025


„Da innerörtliche Bereiche immer auch ein Verkehrsaufkommen aufweisen, ist eine Unterschreitung der in der Kartierung herangezogenen Pegelbereiche kein realistisches Ziel“

Entwurf Lärmaktionsplan Waldshut-Tiengen, FEB 2025


„Die Einflüsse auf die Lärmemissionen in Abhängigkeit der Verkehrsträger sind vielfältig (Antriebsarten im ÖPNV, Radverkehrsinfrastruktur, Ladepunkte für Elektromobilität etc.) und die Handlungsoptionen unterliegen einem Wandel. In einem konzeptionellen Werk wie dem Lärmaktionsplan können somit nur allgemeine Hinweise aufgenommen werden, die in Verkehrskonzepten für den Einzelfall näher auszuarbeiten sind.“

Entwurf Lärmaktionsplan Waldshut-Tiengen, FEB 2025


„Inhalt des Leitbildes des Lärmaktionsplans ist somit nicht die Umsetzung einer bestimmten Maßnahme, sondern das Ziel, die lärmarme Abwicklung der Wege fortlaufend im Blick zu behalten und die Minderungspotenziale auszuschöpfen.“

Entwurf Lärmaktionsplan Waldshut-Tiengen, FEB 2025


„Durch eine frequenzabhängige Gewichtung wird der bewertete Schalldruckpegel gebildet. Üblich ist dabei die Verwendung des A-bewerteten Schallpegels (dB(A)).“

Entwurf Lärmaktionsplan Waldshut-Tiengen, FEB 2025

Diese Auflistung könnte fast endlos fortgeführt werden. Schade – hier wurde die Chance vertan, die Bürger:innen und auch die Mitglieder des Gemeinderats durch verständliche Formulierungen und anschaulich aufbereitete Inhalte mit ins Boot zu holen.

Nur so wären Gespräche auf Augenhöhe über das Thema mit allen Beteiligten möglich gewesen.

Und – auch Expert:innen aus Planung und Verwaltung schadet eine leichter verständliche Sprache nicht. Damit sie nicht in wenigen Jahren – wenn sie sich erneut mit dem Plan auseinandersetzen müssen – in den Untiefen ihres selbst zusammengebrauten Formulierungsstrudels untergehen. Und damit sie nicht unnötig Zeitaufwand und Kosten verursachen, wenn sie sich mühsam durch ihre eigenen komplizierten Formulierungen kämpfen müssen.

🙋 Bürgerfreundlichkeit durch einfache und verständliche Sprache

Wenn Bürger:innen mitreden sollen, müssen sie auch verstehen, worum es geht. Hier unser Versuch es verständlicher zu erklären.

📣 Lärmaktionsplan – einfach erklärt

Warum gibt es Lärmaktionspläne?

In der Europäischen Union (EU) gibt es ein Gesetz, das gegen zu viel Lärm schützen soll. Dieses Gesetz wurde auch in Deutschland übernommen. Es schreibt vor:

👉 Städte und Gemeinden mit viel Verkehr oder in Ballungsräumen müssen alle fünf Jahre einen Lärmaktionsplan erstellen.

Was ist ein Lärmaktionsplan?

Ein Lärmaktionsplan zeigt:

  • Wo es besonders laut ist (z. B. an Straßen oder Bahnstrecken),
  • Wie viele Menschen davon betroffen sind,
  • Ob der Lärm so stark ist, dass er die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt
  • Und was geplant ist, um den Lärm zu verringern.

Wie wird Lärm erfasst?

Der Lärm wird nicht direkt gemessen, sondern berechnet. Dafür macht man sogenannte Lärmkartierungen – das heißt, es wird eine Karte erstellt, auf der man sieht, wo es laut ist.

In Baden-Württemberg macht diese Kartierungen die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg – zumindest für Gebiete außerhalb der großen Städte. Dabei werden nur Straßen aufgenommen, auf denen mehr als 3 Millionen Fahrzeuge im Jahr fahren. Dazu zählt man, wie viele Autos, Lkw und Transporter an einem Tag unterwegs sind. Aus diesen Zahlen wird dann der Lärm berechnet.

In Waldshut-Tiengen wurden die Kartierungen der LUBW scheinbar nicht verwendet. Stattdessen hat das Planungsbüro Fichtner eigene Zählungen durchgeführt und Datenquellen der Stadt benutzt.

Wie wird Lärm angegeben?

Lärm im Aktionsplan wird in sogenannten Dezibel gemessen, abgekürzt dB(A).

Das „A“ steht dabei für eine Anpassung an das menschliche Gehör.
👉 Denn unser Ohr hört hohe und tiefe Töne unterschiedlich laut. Die dB(A)-Skala berücksichtigt das – sie misst also nicht einfach den technischen Schall, sondern wie laut ein Geräusch für uns Menschen tatsächlich klingt.

Diese Dezibel-Werte sind für viele Menschen schwer zu verstehen, weil sie auf einer logarithmischen Skala beruhen. Das bedeutet:

👉 Schon kleine Zahlenunterschiede bedeuten große Unterschiede in der Lautstärke.

Ein paar Beispiele zur besseren Vorstellung:

  • Ein Anstieg von 10 dB(A) bedeutet:
    Die Lautstärke verdoppelt sich etwa.
  • Ein Lärmpegel von 60 dB(A) ist schon 16-mal so laut wie 20 dB(A).
  • 70 dB(A) sind sogar 64-mal so laut wie 10 dB(A)!

Deshalb kann auch ein scheinbar „kleiner“ Unterschied auf dem Papier für die betroffenen Menschen sehr spürbar und belastend sein.

Zu klein sollte der Unterschied dennoch nicht sein. Zum Beispiel ist ein Unterschied von 1 Dezibel leider kaum, oder nur „gerade noch wahrnehmbar“. Eine Verringerung um 3 Dezibel hingegen ist eine „gut wahrnehmbare Reduzierung der Lautstärke“. (Siehe zum Beispiel: https://gewerbeaufsicht.baden-wuerttemberg.de)

Welche Regeln gelten bei der Lärmberechnung?

Es gibt zwei Arten von Berechnungen:

  1. Die EU-Regeln – sie zeigen gut an, wo Menschen betroffen sind, wo es laut ist und wo etwas getan werden sollte.
    👉 Berechnungsverfahren CNOSSOS-EU
  2. Die deutschen Regeln – sie helfen zu entscheiden, ob und was genau gemacht werden muss.
    👉 Berechnungsrichtlinien RLS-19

Beide Berechnungen sind sich ähnlich. Aber: Mit den deutschen Regeln erkennt man oft noch mehr betroffene Menschen.

Beispiel: Lärmkartierung in Waldshut-Tiengen

In Waldshut-Tiengen wurde Folgendes gemacht:

  • Es wurden Lärmkartierungen durch das Büro Fichnter erstellt
  • Es wurden teilweise auch Straßen betrachtet, auf denen weniger als 3 Millionen Fahrzeuge pro Jahr fahren – aber trotzdem starker Lärm besteht.
  • Dafür hat das Fachbüro Fichtner weitere eigene Zählungen gemacht oder auf ältere Daten und Daten aus Radargeräten zurückgegriffen. Und teilweise auch Schätzungen angestellt.

Wie funktioniert die Lärmberechnung genau?

  • Die Fahrzeuge auf den Straßen sind die Lärmquelle, hier entsteht der Lärm, hier findet die sogenannte „Lärmemission“ statt.
  • Der Lärm breitet sich aus und wird dabei leiser.
  • Teilweise wird der Lärm reflektiert, absorbiert oder von Objekten in andere Richtungen geleitet.
  • Wichtig ist, wie laut der Lärm bei den Häusern und Menschen ankommt. Das nennt man „Lärmimmission“.
  • Der Lärm von Fahrzeugen ist nicht durchgehend gleich. Wenn ein schwerer LKW vorbeifährt, wird es kurz sehr laut, danach vielleicht wieder für ein paar Sekunden leise, bis zum Beispiel ein großes SUV oder ein Bus vorbeifahren und es wieder lauter wird. Damit man den Lärm besser beurteilen kann, nimmt man deshalb Mittelwerte. Diese sind etwas kleiner als die lautesten Werte. Fachleute weisen darauf hin, dass die Verwendung von Mittelwerten nicht ideal ist. Schließlich wacht man nachts eher von kurzen, sehr lauten Geräuschen auf – und eher nicht von einem gleichbleibenden Geräuschbrei.
  • Der Lärm ist für die meisten Menschen nachts schlimmer als am Tag. Das wird bei der Berechnung berücksichtigt.
  • Es wird berechnet, welche Gebäude und wie viele Menschen betroffen sind.

Was passiert mit den Ergebnissen?

  • Aus den Lärmkarten werden Lärmschwerpunkte erkannt – also besonders laute Orte, mit vielen Betroffenen
  • Dann werden Maßnahmen vorgeschlagen, wie man den Lärm dort verringern kann.
  • Es wird auch geprüft, ob deutsche Grenzwerte überschritten werden. Das kann wichtig sein, weil es dann eine Pflicht zum Einschreiten geben kann.

Welche Arten von Maßnahmen gibt es?

Es gibt viele Möglichkeiten den Lärm zu reduzieren, zum Beispiel diese: (aus pdf Anforderungen an Lärmaktionspläne entnommen):

  • Straßenbelag anpassen
  • Lärmarme Reifen
  • Leise Motoren
  • Leisere Auspuffe
  • Leisere öffentliche Verkehrsmittel
  • Zeitliche Beschränkung für LKW
  • Zeitliche Beschränkung für PKW
  • Weniger Fahrgeschwindigkeit
  • Ampel-Schaltungen anpassen
  • Kreisvehrkehre
  • Verkehrsberuhigte Zonen ausweisen
  • Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrende und Fußgänger:innen
  • Veränderung / Reduzierung der Fahrspuren
  • Fahrverbote und Umleitungen für LKW
  • Fahrverbote und Umleitungen für PKW
  • City-Maut
  • Lärmschutzwände
  • Lärmschutzwall
  • Sperrung von Straßen

Im aktuellen Entwurf für den Aktionsplan werden zwei verschiedene Arten von konkreten Maßnahmen an Lärmschwerpunkten vorgeschlagen:

  • A) Bauliche Maßnahmen
  • B) Verkehrsrechtliche Maßnahmen
🛠️ a) Bauliche Maßnahmen

➡️ Alles, was gebaut oder verändert wird:

  • Straße, Gehweg, Radweg, im aktuellen Entwurf: „Flüsterasphalt“

Zuständig: 👉 Baulastträger (z. B. Bund, Land, Kreis, Stadt)

🚦 B) Verkehrsrechtliche Maßnahmen

➡️ Alles, was den Verkehr regelt:

  • Tempolimit, Einbahnstraße, Parkverbot, Zebrastreifen, Schilder

Zuständig: 👉 Straßenverkehrsbehörde (z. B. Landratsamt)

Für Bauliche Maßnahmen (z.B Flüsterasphalt) sind die Baulastträger verantwortlich

📊 Baulastträger nach Straßentyp – von oben nach unten

🇩🇪 1. Bundesautobahnen
  • Straßentyp: Autobahnen (z. B. A5, A81)
  • Baulastträger: Der Bund, vertreten durch die Autobahn GmbH des Bundes
  • Zuständig für: Bau, Instandhaltung, Betrieb
  • Gilt für: Außerorts und auch innerorts (falls vorhanden)
🟡 2. Bundesstraßen (außerorts und innerorts)
  • Straßentyp: Bundesstraßen (z. B. B34, B500)
  • Baulastträger: Der Bund, Verwaltung meist durch das jeweilige Bundesland
  • Innerorts-Regel (wie in Waldshut-Tiengen mit ~25.000 Ew.):
    Der Bund bleibt Baulastträger, auch innerhalb der Stadtgrenzen
    → Die Stadt ist nicht automatisch zuständig
    Ausnahme: Gehwege, Straßenbeleuchtung oder Grünpflege können von der Stadt übernommen werden (je nach Vereinbarung)
3. Landesstraßen (auch: Staatsstraßen)
  • Straßentyp: Landesstraßen (z. B. L161)
  • Baulastträger: Das jeweilige Bundesland (in Baden-Württemberg: das Land BW)
  • Zuständig für: Straßen mit überregionaler, aber nicht bundesweiter Bedeutung
🔵 4. Kreisstraßen
  • Straßentyp: Kreisstraßen (z. B. K6551)
  • Baulastträger: Der Landkreis (z. B. Landkreis Waldshut)
  • Zuständig für: Verbindungen zwischen Gemeinden im Kreisgebiet
5. Gemeindestraßen
  • Straßentyp: Gemeindestraßen (z. B. Wohnstraßen, Erschließungsstraßen)
  • Baulastträger: Die Stadt oder Gemeinde
  • Zuständig für: Innerörtliche Straßen, die dem örtlichen Verkehr dienen

Für Verkehrsrechtliche Maßnahmen (z.B Tempo 30) sind die Straßenvekehrs-behörden verantwortlich

📊 Straßenverkehrsbehörden – von oben nach unten

🏛️ 1. Bundesebene – Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)
  • Was machen die?
    Sie geben die allgemeinen Regeln für den Straßenverkehr vor (z. B. die Straßenverkehrs-Ordnung – StVO).
  • Wofür zuständig?
    Für Gesetze, Verordnungen und bundesweite Regelungen.
🏢 2. Landesebene – Die obersten Landesbehörden (z. B. Verkehrsministerium eines Bundeslandes)
  • Was machen die?
    Sie setzen die Vorgaben des Bundes im eigenen Bundesland um.
  • Wofür zuständig?
    Zum Beispiel für landesweite Verkehrsrichtlinien oder Aufsicht über nachgeordnete Behörden.
🏙️ 3. Regierungspräsidien / Bezirksregierungen (in manchen Bundesländern)
  • Was machen die?
    Eine Art „Mittler“ zwischen Land und Kreisen/Städten.
  • Wofür zuständig?
    Manchmal für besondere Aufgaben, z. B. bei großen Bauprojekten oder überregionalen Verkehrsfragen.
  • Das Regierungspräsidium darf auch entscheiden, ob in einem bestimmten Bereich Geschwindigkeitsbeschränkungen gelten sollen oder nicht.
  • Wenn jemand einen Antrag stellt oder sich beschwert, prüft das Regierungspräsidium, ob die Regeln dafür erfüllt sind. Dann kann es Tempo 30 anordnen oder wieder aufheben.
🏘️ 4. Untere Straßenverkehrsbehörden (Landratsamt auf Kreisebene)

In großen Kreisstädten wie Waldshut-Tiengen sind die unteren Straßenverkehrsbehörden die Stadtverwaltungen selbst. Hier das Ordnungsamt mit seiner Straßenverkehrsbehörde im Sachgebiet „Sicherheit & Ordnung“

  • Was machen die?
    Sie regeln den Verkehr vor Ort, also in Städten und Gemeinden.
  • Wofür zuständig?
    Zum Beispiel für:
    • Tempolimits
    • Ampelschaltungen
    • Parkzonen
    • Verkehrsschilder
    • Schulwegsicherung
🚓 5. Polizei (als Vollzugsbehörde)
  • Was machen die?
    Sie überwachen den Straßenverkehr und setzen die Regeln durch.
  • Wofür zuständig?
    Kontrolle, Verkehrslenkung bei Unfällen, manchmal auch eigene Anordnungen bei Gefahr.

Für den Lärmaktionsplan ist wichtig:

Die Straßenverkehrsbehörden dürfen vorgeschlagene Maßnahmen im Lärmaktionsplan, die den Verkehr beschränken sollen, nicht einfach ablehnen.
Wenn also eine geschwindigkeitsbeschränkende Maßnahme nachvollziehbar begründet vorgeschlagen wird, darf sie bei uns nicht durch ein „Veto“ des Regierungspräsidiums in Freiburg, zum Beispiel unter Verweis auf die „wichtige Verkehrsfunktion“ verhindert werden.

Eine solche Maßnahme bleibt und wirkt 🎉. Das wurde durch höchstrichterliche Beschlüsse so festgestellt.

Bürgerbeteiligung ist Pflicht

Ein ganz wichtiger Punkt ist:

Die Öffentlichkeit muss beteiligt werden.

Das bedeutet:

  • Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, den Entwurf des Lärmaktionsplans einzusehen,
  • Sie können Vorschläge machen oder Einwände äußern,
  • Die Stadt oder Gemeinde muss diese Beiträge prüfen und berücksichtigen.

💡🤔👉 Was kann ich tun?

Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass der Lärmaktionsplan so ausgestaltet wird, dass er wirksame Maßnahmen enthält und dass diese Maßnahmen auch so schnell wie möglich umgesetzt werden können. Für eine ruhigere, gesündere und lebenswertere Stadt Waldshut-Tiengen.

  • Inhaltliche Ergänzung um den Abschnitt „Tempo 30 – kontraproduktiv und übertrieben?“
  • Präzisierung / Ergänzung Vorschlag K6551 Tiengener Straße:
    Lärmschwerpunkts-Abschnitt mit Vorschlag Tempo 50 im Bereich von Umspannwerk bis „Im Bodenacker“ (statt Tempo 70)

Inzwischen wurde ein aktualisierter Erläuterungsbericht veröffentlicht (Datum 04.07.25). Es gibt kaum Änderungen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bleiben gleich. Außer einer stichpunktartigen Aufzählung wird auf die Ergebnisse des Lärmforums und der bisherigen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht weiter eingegangen.

Hier alle Änderungen im Erläuterungsbericht vom Juli im Vergleich zu vor fünf Monaten im Februar (geänderte Seiten- und Kapitelnummern ausgenommen):

Erläuterungsbericht Feb 2025 Erläuterungsbericht Juli 2025
10 14.02.2025
10 04.07.2025
101 7 Öffentlichkeitsbeteiligung 42
225 Die Stadt Waldshut-Tiengen mit derzeit rund 25.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des Landkreises Waldshut. Die Gemarkung erstreckt sich zwischen südlichem Schwarzwald und Hochrhein und grenzt an die Schweizer Grenze. Zur Doppelstadt Waldshut-Tiengen gehören weitere zehn Ortschaften, zu denen u. a. Gurtweil und Eschbach zählen.
227 Die Stadt Waldshut-Tiengen mit derzeit rund 25.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des Landkreises Waldshut. Die Gemarkung erstreckt sich zwischen südlichem Schwarzwald und Hochrhein und grenzt an die Schweizer Grenze. Zur Doppelstadt Waldshut-Tiengen gehören weitere zehn Ortsteile, zu denen u. a. Gurtweil und Eschbach zählen.
231 Aufgrund dieses Auswahlkriteriums wurden die klassifizierten Straßen innerhalb bzw. in direkter Nähe der Ortsteile Aichen (K 6556), Gutenburg (K 6556, L 157), Breitenfeld (K 6564, K 6565), Detzeln (L 159), Eschbach (B 500), Indlekofen (K 6551), Krenkingen (K 6556), Oberalpfen (K 6563), Waldkirch (K 6563, K 6562), Gaiß (B 500) und Schmitzingen (K 6562) nicht berücksichtigt.
587 Innerhalb der Ortschaft Gurtweil befinden sich entlang der L 157 (Schlüchttalstraße) ebenfalls mehrere Lärmschwerpunkte. Einzelne Bereiche von Lärmbetroffenen, insbesondere am Tag, sind auch in der Rathausstraße zu sehen.
590 Innerhalb des Ortsteils Gurtweil befinden sich entlang der L 157 (Schlüchttalstraße) ebenfalls mehrere Lärmschwerpunkte. Einzelne Bereiche von Lärmbetroffenen, insbesondere am Tag, sind auch in der Rathausstraße zu sehen.
1003 Die Beurteilungspegel im Umfeld Gurtweiler Straße liegen bei ca. 60 bis 67 dB(A) am Tag sowie bei ca. 50 bis 56 dB(A) in der Nacht und somit über den Zumutbarkeitsschwellen der 16. BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung). Es zeigt sich auch hier ein Handlungsbedarf.
1006 Die Beurteilungspegel im Umfeld der Rathausstraße liegen bei ca. 60 bis 67 dB(A) am Tag sowie bei ca. 50 bis 56 dB(A) in der Nacht und somit über den Zumutbarkeitsschwellen der 16. BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung). Es zeigt sich auch hier ein Handlungsbedarf.
1030 7 Öffentlichkeitsbeteiligung
1031 Im Rahmen des Lärmforums in Waldshut-Tiengen am 12.05.2025 konnte sich die Öffentlichkeit bereits vor der formalen Offenlage zum Lärmaktionsplan der Stadt äußern sowie Anregungen und Erfahrungen einbringen. Hierbei wurden diverse bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen genannt, die im Folgenden aufgelistet sind:
1032 ▪ Fahrbahnschwellen
1034 ▪ Fahrbahnsanierungen
1036 ▪ Geschwindigkeitsbeschränkungen
1038 ▪ ganztägige Tempo 30 Anordnungen, nicht nur nachts
1040 ▪ vermehrte Geschwindigkeitskontrollen
1042 ▪ Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes
1044 ▪ Verbesserung des ÖPNV
  • Korrektur: Anzahl lärmbelasteter Wohnungen entfernt, da sich fehlerhafte Zahl („100“ statt „1.000“) bei uns eingeschlichen hatte
  • Beitrag der Initiative Mobilität als PDF zum Download hinzugefügt. In dieser Form wurde es auch am 15.09.2025 dem Bauverwaltungsamt zugesendet (Die Anschriften der Verfasser wurden im hier zur Verfügung gestellten PDF von uns entfernt)
  • PDF aktualisiert und korrigiert. Nicht vorhandene Tempo 30 – Beschränkung in der Gurtweiler Straße bei Nacht berücksichtigt.